Hadrian’s Wall Path – 170 Kilometer zu Fuß durch Nordengland

Michael und Johanna bei ihrer Wanderung

Was passiert, wenn ein unsportliches Paar eine mehr als 170 Kilometer lange Wanderung macht? Wir haben es herausgefunden – bei unserem zweiwöchigen Abenteuer entlang des Hadrian’s Wall im Norden Englands.

Schon seit Jahren verschlägt es uns für den Urlaub regelmäßig nach Großbritannien. Im Juli 2019 sollten wir aber eine ganz besonderes UK-Reise erleben: eine Wanderung entlang des Hadrianswalls im Norden Englands. Der Hadrian’s Wall Path erstreckt sich entlang der Überreste dieser ehemaligen römischen Grenzmauer und durchzieht die zwei Grafschaften Cumbria und Northumberland. Er wurde 2003 eröffnet und zählt zu den leichteren Weitwanderungen des Landes. Die Route führt von Wallsend bei Newcastle-upon-Tyne im Osten Northumberlands nach Bowness-on-Solway ganz im Westen Cumbrias. Diese Gehrichtung wird zumindest in vielen guide books empfohlen. Wir haben uns aber bewusst für die andere Richtung entschieden, weil wir nach dem Ende unserer Wanderung noch ein paar Tage in Newcastle verbringen und den Wind im Rücken haben wollten.

Der erste Tag brachte gleich den ersten Fehler

Nach unserer Anreise via Wien, Amsterdam, Newcastle und Carlisle verbrachten wir die Nacht vor der ersten Wanderetappe in einer der sehr spärlich gesäten Unterkünfte in Bowness – im Kings Arms Pub. Das war auch unser Startpunkt für den offiziell 84 Meilen (135 Kilometer) langen Fußmarsch. Gleich nach dem Weggehen hatten wir unsere erste spannende Begegnung – mit Roger Brough. Dieser ältere Herr hat einen Wegweiser für Wanderer aufgestellt und verbringt seine Pension quasi damit, die Entfernung sowie den Namen der Heimatorte von Wanderern auf eben diesem Wegweiser zu vermerken. Unsere erste Wanderetappe war mit mehr als 25 Kilometern schlussendlich viel zu lang für uns, irgendwie schafften wir es aber dennoch zurück nach Carlisle, wo wir – wie so oft in diesem Urlaub – völlig erschöpft ins Bett fielen. Die erste Lektion lautete also: ins Gehen muss man erst mal reinkommen.

Roger Brough in Aktion.

Fast immer haben wir in einem der vielen netten B&Bs übernachtet, deren Besitzer nicht nur ein ausgiebiges Frühstück zubereiten, sondern manchmal auch Taxi zum nächsten Pub spielen. Das kann nach einem langen Tag echt die Rettung sein. Gerettet haben uns einige Male auch die sogenannten Honesty Boxes, die es vor allem in Cumbria gibt. Bei diesen „Jausenstationen“ gibt es meistens kalte Getränke und kleine Snacks, manchmal auch Tee und ein WC. Abgesehen vom guten Essen kommen natürlich auch alle Geschichte-Interessierten bei dieser Wanderung nicht zu kurz – immerhin gibt es entlang des Wegs einige ehemalige römische Siedlungen, die heute Museen sind (etwa Vindolanda mit ihren berühmten Schreibtafeln und Chesters Fort, wo wir auch eine Führung gemacht haben).

Abseits der ausgetretenen Pfade des Hadrian’s Wall

Wer sich ganz besonders für die Geschichte der Mauer interessiert, der sollte wohl so wie wir Mark Richards treffen. Mark hätte eigentlich Bauer werden sollen, wurde dann aber Autor und Fotograf und hat mittlerweile auch einige Bücher über den Hadrianswall geschrieben. Er hat uns auch mit Dianne Horn, einer rüstigen Bio-Bäuerin in Gilsland (kurz vor der Grenze zu Northumberland) in Kontakt gebracht, die wir ebenfalls zum Gespräch getroffen haben. Immerhin ist die Region sehr von der Landwirtschaft geprägt und man durchwandert entlang des Wanderweges hunderte Felder und Wiesen, die Bauern gehören.

Schafe trifft man am Hadrian’s Wall jeden Tag.

Generell können wir es sehr empfehlen, den offiziellen Weg ab und an zu verlassen und dadurch Orte zu entdecken, die die meisten Wanderer versäumen. So haben wir etwa einen Umweg nach Hexham gemacht, eine kleine Stadt, in der wir bei Roger Clegg, einem weiteren Fotografen, zu Gast waren. Mit ihm und seiner Frau haben wir über die Mentalität der Menschen in der Region geplaudert. Gleich in der Nähe bietet sich ein Besuch in Corbridge an, ein entzückender Ort, der mit seinen vielen independent shops und vielen weiteren Attraktionen keine Wanderer-Wünsche offen lässt. Kurz vor unserem Ziel – Wallsend – haben wir auch die Alpaka-Farm „Barnacre Alpacas“ besucht, wo wir mit den süßen „Flauschis“ auf Tuchfühlung gehen konnten. Durch all diese Umwege wurden aus den 135 Kilometern dann auch mehr als 170. Aber das war es uns wert.

Die Ruhe nach der Ruhe

Zehn Tage lang hat es gedauert, bis wir schließlich an unserem Ziel – dem Museum in Wallsend – ankamen. Auf dem Weg dorthin haben wir mit vielen anderen Wanderern aus aller Welt getratscht, haben unzählige Kühe und Schafe gesichtet und noch viel mehr Holztore, die die verschiedenen Abschnitte des Weges abtrennen, hinter uns zugemacht. An vielen Tagen haben wir stundenlang keinen einzigen Menschen, sondern „nur“ wunderschöne Landschaften und Tiere gesehen. Es war ein Urlaub, der sich wirklich bestens zur Entschleunigung eignet. Trotzdem war es freilich auch sehr anstrengend, jeden Tag viele Kilometer zu gehen. Deshalb waren wir froh, nach unserer Ankunft in Newcastle noch drei Tage zum Ausrasten zu haben. Gut, wir hatten auch einen Termin, nämlich bei Kerry Shaw von der Uni in Newcastle, die ein Freiwilligenprojekt samt Ausgrabungen koordiniert. Aber vor allem haben wir die Zeit in Newcastle genutzt, um unsere müden Beine hochzulegen.

Hat man einmal die Brücken von Newcastle erreicht, so ist es nicht mehr weit.

Abgesehen von der Müdigkeit haben wir uns aber auch stolz gefühlt. Stolz, dass wir es als unsportliches Paar bis an unser Ziel geschafft haben. Mit der richtigen Planung, der richtigen Ausrüstung und etwas Durchhaltevermögen war es am Ende auch gar nicht so schwer. Vielleicht machen wir 2020 wieder einen Wanderurlaub. Der Hadrianswall hat uns auf jeden Fall Lust auf mehr gemacht.